Aerophone AE-10 – erster Blaswandler von Roland
2016 machte sich Roland mit dem Aerophone AE-10, seinem ersten Blaswandler, daran, den Markt zu erobern. Ob das Instrument mit der Konkurrenz mithalten kann und wo seine Stärken und Schwächen liegen, erfährst du in diesem Blogbeitrag.
Offiziell spricht Roland beim Aerophone AE-10 von einem digitalen Blasinstrument und nicht von einem elektronischen Blasinstrument. Möglicherweise wollte das Unternehmen damit verhindern, dass die Leute von einem EWI (electronic wind instrument) sprechen, womit häufig die EWI-Serie der Konkurrenzfirma Akai verbunden wird (z. B. das EWI5000). Mit der Bezeichnung digitales Blasinstrument grenzt sich Roland mit dem Aerophone AE-10 also sprachlich von der Konkurrenz ab.
Roland hat mit seinem Aerophone AE-10 eine eindeutige Zielgruppe im Blickfeld: Saxophonistinnen und Saxophonisten. Das Instrument verfügt über ein saxophonähnliches Mundstück mit Rohrblatt und hat dieselbe Tastenanordnung wie ein "richtiges" Saxophon.
Kosten Roland Aerophone AE-10
Das Roland Aerophone AE-10 kostet je nach Anbieter und Farbversion rund 600 bis 750 Euro. Im Vergleich mit anderen Blaswandlern liegt das Aerophone AE-10 kostenmässig somit ca. im Mittelfeld.
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Optisch gewöhnungsbedürftig
Optisch erinnert das Aerophone AE-10 von Roland nicht wirklich an ein Saxophon oder ein anderes akustisches Blasinstrument. Im Vergleich zu den meisten Blaswandlern auf dem Markt, die eine eher schlanke Form haben, wirkt das Aerophone fast etwas übergewichtig. Mundstück und Hals des Aerophones sind zwar verhältnismässig schlank, im Bereich der Tasten verbreitert sich das Instrument aber stark. Die optisch schwer wirkende Form bestätigt sich allerdings beim Gewicht nicht unbedingt. Das Aerophone AE-10 wiegt 855 Gramm und fällt damit im Vergleich zu anderen Blaswandlern nicht aus dem Rahmen (siehe: Wie viel wiegen Blaswandler).
Das Aerophone ist aktuell in zwei Farbvarianten erhältlich. In der weissen Version sind die Tasten silbern gehalten und in silberne Umrandungen gesetzt. Beim Graphite Finish mit der Bezeichnung AE-10G sind nur die Tasten und Bedienelemente silbern, die Einfassung ist im gleichen Ton wie das übrige Instrument gehalten.
Mundstück mit Rohrblatt beim AE-10
Mir als Klarinettist kommt das saxofonähnliche Mundstück mit fest montiertem Rohrblatt natürlich entgegen. Wenn du aber Querflöte oder Oboe spielst, könnte dich die starke Ausrichtung des Aerophone AE-10 auf Saxophonisten von einem Kauf abschrecken. Es sei deshalb dahingestellt, ob eine "neutralere" Mundstückvariante wie bei den EWIs von Akai bei einem neu entwickelten Blaswandler nicht sinnvoller gewesen wäre – oder Roland könnte als Option ein Alternativmundstück mit einer neutraleren Form anbieten. Diesen Weg hat Roland inzwischen beim Aerophone mini eingeschlagen, das auch auch mit einem "neutraleren", eher blockflötenähnlichen Mundstück kompatibel ist.
Allerdings ist das "Saxophonmundstück" nach meiner Ansicht kein unüberwindbares Hindernis, auch wenn du dich von deinem akustischen Blasinstrument einen anderen Ansatz gewohnt bist. Und falls du dich fragst, ob du mit dem Aerophone AE-10 möglicherweise deinem Ansatz schadest, findest du meine Antwort in einem anderen Blogbeitrag.
Biss- und Blassensoren im Aerophone-Mundstück
Das Mundstück des Aerophone AE-10 wird also grundsätzlich wie ein Saxofon- oder Klarinettenmundstück zwischen Lippen und Zähnen gehalten. Sensoren erkennen, wie stark man in das Instrument bläst und wie stark man auf das Mundstück beisst. Beisst man stärker auf das Mundstück, erhöht sich die Tonhöhe, lässt man locker, erniedrigt sich die Tonhöhe. Man kann mit der Zunge zudem wie beim Saxophon das Rohrblatt antippen, um Töne anzustossen.
Die Nähe zum Saxophon ist zwar unverkennbar, man sollte sich aber bewusst sein, dass das Aerophone AE-10 ein digitales Blasinstrument ist und kein akustisches. Das Blasen in das Mundstück und das Beissen auf das Mundstück fühlt sich deshalb nicht gleich an wie bei einem normalen Saxophon. Der Anblasdruck muss beim Blaswandler beispielsweise viel geringer sein als beim realen Saxophon, um einen Ton zu erzeugen.
Tastenanordnung und Griffsysteme
Saxophonlayout
Die Anordnung der mechanischen Tasten des Aerophone AE-10 imitiert das Layout des Saxophons relativ gut, allerdings in stark vereinfachter Form. Wer eine "richtige" Saxofonmechanik erwartet, wird mit dem Yamaha YDS-150 wahrscheinlich glücklicher. Ich habe beim beim Aerophone AE-10 bei den seitlichen Knöpfen der rechten Hand trotz der Nähe zum Saxofon am Anfang regelmässig danebengegriffen, weil die Klappen bei meinem Altsaxophon leicht anders angeordnet und in der Höhe weiter oben sind als beim Aerophone AE-10. Dasselbe Problem hatte ich zu Beginn bei den Tasten für den linken und rechten kleinen Finger.
Mit anderen Worten: Die Anlehnung des Tastenlayouts an die Mechanik des Saxophons hilft zwar, wenn dein Hauptinstrument ein Saxophon ist, das Aerophone AE-10 ist aber trotzdem kein Saxophon. Zu Beginn wirst du dich deshalb mit der Anordnung der Tasten und Knöpfe vertraut machen müssen – aber das ist bei jedem akustischen oder elektronischen Instrument so.
Verschiedene Fingersätze
Die Anlehnung an das Saxophon zeigt sich weiter beim Fingersatz, der dem Griffsystem des Saxophons entspricht und standardmässig beim Aerophone AE-10 programmiert ist. Wer aber ein anderes Tastenlayout bevorzugt, kann in den Einstellungen weitere Fingersätze auswählen: Blockflöte, E-Wind (Electronic-Wind-Instrument-Fingersatz) und Trompete. Beim Aerophone AE-10 ist es sogar möglich, bis zu 10 eigene Fingersatz-Einstellungen zu programmieren, vorhandene Fingersätze zu editieren oder gar zu löschen.
Auf der Rückseite des Aerophone AE-10 gibt es für den linken Daumen mehrere Oktavtasten, womit ein maximaler Tonumfang von ca. 8 Oktaven erreicht werden kann. Falls du mehr zu den Griffsystemen beim Aerophone AE-10 und bei anderen Blaswandlern erfahren willst, habe ich Informationen und Grifftabellen hier zusammengestellt.
Integrierte Soundbibliothek
Die im Aerophone AE-10 integrierte Soundbibliothek bietet 129 gespeicherte Klänge seit dem Update auf Firmware 3.10 (Stand Dezember 2019). Falls du noch eine ältere Firmware hast, siehe: Software-Update beim Aerophone AE-10 durchführen. Die Sounds reichen von klassischen Holzblasinstrumenten wie Klarinette, Oboe oder Flöte zu Blechblasinstrumenten wie Trompete, Posaune und Tube bis zu für mich ungewöhnlichen Blasinstrumenten wie Dudelsack, Hulusi oder Okarina.
Weiter gibt es diverse Streichersounds: Violine, Cello oder Kontrabass. Auch einige Instrumente aus der "Schlagzeugküche" sind dabei, zum Beispiel Steel Drums oder Glockenspiel. Natürlich dürfen auch diverse synthetische Klangkreationen nicht fehlen. Falls du wissen willst, wie das Aerophone AE-10 klingt, habe ich hier Beispiele zu allen Sounds zusammengestellt.
Um veränderte oder eigene Sounds abzuspeichern, stehen zudem diverse Speicherplätze für "User Tones" zur Verfügung.
Roland verspricht hochauflösende Sounds, die eine präzsise Ausdrucksmöglichkeit passend zum Instrument ermöglichen. Dabei werde das Abrufen typischer Klangeigenschaften des akustischen Vorbilds abgerufen. Roland nennt diese Eigenschaften des Aerophone AE-10 "SuperNATURAL-Soundtechnologie" und "Behavior-Modeling-Technologie".
Anschlüsse und technische Merkmale
Stromversorgung
Das Aerophone AE-10 kann über den mitgelieferten AC-Adapter direkt an die Steckdose angeschlossen werden. Ich bevorzuge allerdings die Stromversorgung über Batterien, was ebenfalls möglich ist. Sechs AA-Batterien sind nötig, damit das digitale Blasinstrument funktioniert. Roland gibt ca. 7 Stunden Lebensdauer der Batterien an. Überprüft habe ich dies nicht, die Lebensdauer der Batterien empfinde ich aber als in Ordnung. Bisher hatte ich nie das Gefühl, dass ich die Batterien dauernd wechseln muss. Mit frischen Batterien bestreitest du also locker einen ganzen Abend mit dem Aerophone AE-10.
Kleine Lautsprecher beim Aerophone AE-10
Der Sound wird über die integrierten Lautsprecher am unteren Ende des Aerophones AE-10 und im oberen Bereich (ca. auf der Höhe der Oktavtasten) wiedergegeben. Jeder hat eine Leistung von 1.5 Watt. Bei manchen Klangfarben geben die integrierten Lautsprecher somit logischerweise nicht genug her. Besonders fällt es bei tieftönenden Instrumenten auf. Den vollen Ton einer Tuba können die kleinen Aerophone-Lautsprecher schlicht nicht realistisch imitieren.
Bester Klang mit externen Lautsprechern
Besser klingt es, sobald man den Sound direkt an ein externes Verstärkersystem bzw. via Mischpult an Lautsprecherboxen überträgt, was problemlos über die entsprechende Anschlussbuchse des Aerophones AE-10 möglich ist. Ich habe zum Beispiel ein HK Audio Polar 10 im Einsatz, die es ebenfalls bei Thomann*, Gear4Music* oder Amazon* gibt. Gute externe Geräte geben den vollen Klang, welchen das Aerophone produzieren kann, viel besser wieder als der kleine Lautsprecher am Instrument.
Kopfhörer an das AE-10 anschliessen
Am Aerophone AE-10 können natürlich auch Kopfhörer angeschlossen werden. Dies ermöglicht das Spielen in der gewohnten Lautstärke überall da, wo laute Musik unerwünscht ist. Das kann nachts um 2 Uhr im Mietshaus sein oder im Sommer draussen auf der Terrasse. Immer dann, wenn niemand mithören soll, kommen die Kopfhörer zum Einsatz. Gerade für Saxophonisten ist das ein ganz neues Gefühl. Wer sich schon mal mit Dämpfern für Saxophon auseinandergesetzt hat, kann bestimmt ein Lied davon singen. Es gibt zwar halbwegs brauchbare Dämpfer, allerdings sind die ziemlich teuer und haben die Grösse einer Telefonkabine. Die Dämpfwirkung reicht zudem nicht, um nach 10 Uhr abends in der Mietwohnung noch zu üben, ohne die Nachbarn aus dem Schlaf zu reissen. Hier kommt ein Aerophone also sehr gelegen.
Smartphone mit dem AE-10 verbinden
Eine weitere nette Spielerei ist, dass sich ein Smartphone an die Stereo-Miniklinkenbuchse anschliessen lässt. Damit besteht die Möglichkeit, auf der Basis deiner Lieblingssongs zu spielen. Dabei wird der Sound über die Lautsprecher des Blaswandlers oder die Kopfhörer gleichzeitig mit den selbstgespielten Tönen übertragen.
Falls du das Aerophone AE-10 drahtlos nutzen willst, kannst du es mit einem Wireless-Kit nachzurüsten. Ein solches Nachrüstkit für das Aerophone wird allerdings nicht von Roland angeboten. Ich habe mein Aerophone deshalb zusammen mit diesem Alesis GuitarLink wireless* gekauft. Für professionelle Ansprüche gibt es sicher bessere Alternativen, aber diese Lösung mit dem Alesis GuitarLink wireless ist relativ günstig und bei mir funktioniert es uverlässig, wenn ich das Aerophone zu Hause an eine externe Lautsprecherboxe anschliesse.
Computer und MIDI
Wie für einen modernen Blaswandler üblich, lässt sich das Aerophone AE-10 an einen Computer oder ein externes Soundmodul anschliessen. Verbindest du das Aerophone AE-10 via USB mit deinem Computer, kannst du Software-Synthesizer und externe MIDI-Klangerzeuger steuern. Das Aerophone AE-10 übernimmt dann die Funktion eines reinen MIDI-Blascontrollers statt auf die eigenen Sounds zurückzugreifen.
Android und iOS-App für Aerophone AE-10
Wer sich vertiefter mit den Klängen des Aerophone AE-10 auseinandersetzen will, kann sich die kostenlose App zum Aerophone AE-10 herunterladen (Android hier; iOS hier). Mit der App lassen sich nicht nur Soundlisten organisieren, sondern auch diverse Parameter einstellen und Tone-Layer, Controller-Zuweisungen, Effekt-Einstellungen und mehr bearbeiten.
Mit der kostenlosen App hebt sich das Aerophone AE-10 von der Konkurrenz ab. Roland ist der einzige Blaswandlerhersteller, der für sein Instrument eine App für Mobilgeräte anbietet. (2.11.2020: Auch andere Blaswandlerhersteller bieten inzwischen Apps für Ihre Instrumente, z. B. Yamaha beim YDS-150 und auch die neueren Aerophones, das Roland Aerophone Pro und das Aerophone AE-20, kommen mit einer App, um die Sounds anzupassen.
Fazit: Sofort einsetzbar ohne Zusatzgeräte
Das Aerophone AE-10 von Roland funktioniert grundsätzlich autonom. Das Aerophone AE-10 hat eine eingebaute Soundbibliothek und einen eigenen Lautsprecher. Somit braucht man weder ein Soundmodul, noch Kopfhörer, noch Lautsprecher, noch ein anderes Zusatzgerät. Allerdings ist der eingebaute Lautsprecher nicht tauglich für einen öffentlichen Auftritt. Um zu Hause aber schnell mit dem Aerophone AE-10 einige Töne zu spielen, finde ich es sehr angenehm, dass ich das Instrument einfach einschalten und loslegen kann.
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Die Soundbibliothek des Aerophone AE-10 kann qualitativ mit anderen Blaswandlern mithalten, wird im Umfang der verfügbaren Sounds aber vom EWI Solo, vom Aerophone Pro und vom Aerophone AE-20 deutlich geschlagen. Kritisieren könnte man beim Aerophone die starke Ausrichtung auf Saxophonspieler. Dies könnte für andere Holz- oder Blechbläser ein Grund sein, ein Konkurrenzprodukt wie Akai EWI Solo zu kaufen. Wer hingegen einen Blaswandler sucht, der noch näher am Saxofon ist als das Aerophone AE-10, sollte sich auch das Yamaha YDS-150 anschauen.
Das AE-10 ist meiner Meinung nach ein brauchbares Modell der unteren Mittelklasse. Die neueren Aerophones haben technisch aber Fortschritte gemacht. Unter anderem liegt mir das Mundstück bei den neuern Modellen noch besser (u. a. ist die Ansprache besser, finde ich). Wer also etwas mehr Budget hat, sollte als Alternative das Aerophone AE-20 oder das Aerophone AE-30/Pro in Erwägung ziehen.
Hier noch ein Müsterchen von mir mit meinem Aerophone AE-10: