Yamaha WX-Series

Yamaha spielte mit seiner WX-Serie lange in der obersten Liga der Blaswandler-Produzenten mit. Seit die Produktion des WX5, des letzten Yamaha-Blaswandlers, eingestellt wurde, ist es um den einstigen Branchenprimus aber still geworden. Erst 2020 gab es mit dem Yamaha YDS-150 wieder ein Lebenszeichen.  

Die WX-Blaswandler von Yamaha gehörten zwischen Ende der 1980er Jahre und den frühen 2000er Jahren zu den führenden Instrumenten auf dem Blaswandler-Markt. Im Unterschied zum heutigen EWI5000, welches berührungsemfindliche Tasten hat, verfügen die WX-Blaswandler von Yamaha über „echte“ mechanische Tasten. Die drei Modelle des Yamaha Blascontrollers (WX7, WX11 und WX5) wurden speziell auf die MIDI-Technik zugeschnitten. Die WX-Instrumente sind somit mit verschiedenen Synthesizern und Zusatzgeräten kombinierbar.

WX7 – Yamahas Markteintritt

1987 brachte Yamaha seinen ersten Blaswandler auf den Markt: das WX7. Das Veröffentlichungsjahr des WX7 war zugleich das 100. Jahr der Yamaha-Firmengeschichte. Der Blaswandler WX7 war für Yamaha somit ein perfektes Produkt, um im Jubiläumsjahr Tradition mit Moderne zu verbinden. In der Einleitung der Bedienungsanleitung zum WX7 war deshalb auch zu lesen, das WX7 vereinige die traditionelle Verarbeitung von Yamaha-Instrumenten mit neuester Technologie. 

wx7 rotate web

Ganz unbescheiden prognostizierte Yamaha damals auch, dass das WX7 für Jahre der erfolgreichste und am weitesten verbreitete MIDI-Controller sein werde. So wie ich dies aus heutiger Perspektive beurteilen kann, dürfte dies sogar eingetroffen sein, denn das WX7 wird im Internet noch häufig referenziert, wenn über Blaswandler von Yamaha geschrieben wird.

Mundstück des WX7

Das WX7 hatte in erster Linie Saxophonisten als Zielgruppe. In der Bedienungsanleitung schreibt Yamaha sogar explizit, das WX7 solle dem "professionellen Saxophonisten den Einstieg in die expressive Welt der elektronischen Musik" ermöglichen.

Die Ausrichtung des WX7 auf Saxophonspieler zeigte sich auch am Mundstück. Die Form des Mundstücks entsprach stark einem Saxophon- oder Klarinettenmundstück. Es war aus kratzfestem Kunstoff und hatte ein permanent befestigtes Kunststoff-Rohrblatt.

WX7 Mouthpiece

Ausgeliefert wurde das WX7 mit zwei identischen Mundstücken, wovon eines als Ersatzmundstück gedacht war oder als Mundstück für einen zweiten Spieler.

Tonhöhe durch Lippendruck

Die Tonhöhe konnte beim WX7 durch "Beissen" des Rohrblatts nach oben oder nach unten korrigiert werden. Einstellbar waren zwei Varianten: Tight-Lip-Modus und Loose-Lip-Modus. Der Lippendruck wurde vom WX7 mit einem Lippensensor gemessen.

Tight-Lip-Modus

Beim Tight-Lip-Modus veränderte sich die Tonhöhe beim WX7 so, wie es beim Saxophon der Fall ist, das heisst: Das Rohrblatt musste beim Spielen mit einem bestimmten Biss zusammengedrückt werden. Wurde der Druck verringert, veränderte sich der Ton nach unten, wurde der Druck erhöht, veränderte sich der Ton nach oben. Der Standardansatz konnte mit einer "toten Zone" definiert werden. Innerhalb dieses definierten Standarddrucks auf das Rohrblatt (also innerhalb der "toten Zone") veränderte sich die Tonhöhe weder nach unten noch nach oben. So konnte ein stabiler Ton erzeugt werden. Erst wenn der Druck auf das Rohrblatt grösser oder kleiner war als der definierte Druckbereich der "toten Zone", wurde der Ton tiefer oder höher.

WX7 tightlip

Loose-Lip-Modus

Beim Loose-Lip-Modus wurde das WX7 ohne Lippendruck gespielt, wenn man einen "normalen" Ton spielen wollte. Mit Druck auf das Rohrblatt konnte die Tonhöhe dann erhöht werden, wobei konfiguriert werden konnte, ab welchem Lippendruck die Tonhöhenerhöhung erfolgen sollte. Im Loose-Lip-Modus war keine Veränderung der Tonhöhe nach unten möglich. Die maximale Tonerhöhung, die über den Ansatz erreicht werden konnte, war indes höher als beim Tight-Lip-Modus.

WX7 looselip

Abgesehen vom Lippendruck konnte beim WX7 zudem mit dem rechten Daumen ein kleines Rad bedient werden, welches ebenfalls eine Veränderung der Tonhöhe nach oben oder nach unten zur Folge hatte.

Atemdruck

Das WX7 verfügte weiter über einen Atemsensor, welcher den Atemdruck messen konnte. Der Atemsenor erkannte also, wie stark man in das Instrument bläst. Über den Atemdruck wurde beim WX7 die Lautstärke, die Klangfarbe, das Vibrato und das Tremolo beeinflusst. Wie und wie stark das Instrument auf den Atemdruck reagierte, musste über verschiedene Parameter eingestellt werden.

Wichtig waren dabei zwei Hauptparameter. Über den Parameter "Wind Zero" konnte konfiguriert werden, wann ein Ton erzeugt wird, das heisst, wie stark man in das Instrument blasen muss, damit ein Ton erklingt. Mit einem zweiten Paramter "Wind Gain" wurde beim WX7 geregelt, wie stark das Instrument auf eine Veränderung des Atemdrucks reagiert, zum Beispiel wie stark die Lautstärke erhöht wird, wenn man stärker in das Instrument bläst.

Mechanik des WX7

Das WX7 wurde mit der herkömmlichen Saxophon-Grifftechnik (Böhmsystem) gespielt und hatte auf der Vorderseite 14 mechanische Klappen bzw. Spieltasten. Auf der Rückseite konnten 5 Oktavtasten mit dem linken Daumen bedient werden. Diese Oktavtasten erweiterten den Standardtonumfang des WX7 von 2 auf über 7 Oktaven.

Lustig finde ich aus heutiger Sicht, dass man beim WX7 selber basteln musste, um die Feineinstellung der Spieltasten vorzunehmen. Um die Spielhöhe jeder Fingertaste einzustellen, wurden beim WX7 dünne Scheiben mitgeliefert (0,2 und 0,5 Millimeter dick). Diese selbstklebenden Scheiben wurden unter dem Polster gegenüber der Fingertaste aufgeklebt (siehe Bild unten). Damit konnte die Höhe der Tasten so justiert werden, dass sie der eigenen Spieltechnik möglichst gut entsprach.

WX7 fingertaste

Tongeneration mit dem WX7

Das WX7 war ein reiner MIDI-Controller und hatte keine integrierte Soundbibliothek wie dies bei heutigen Blaswandlern wie beim EWI5000 oder beim Aerophone AE-10 der Fall ist. Das WX7 musst deshalb an eine MIDI-Klangquelle angeschlossen werden, entweder an einen Syntheziser mit MIDI-Anschluss oder an spezielle MIDI-Soundgeneratoren. Am angeschlossenen Gerät musste dann das gewünschte Klangprogramm eingestellt werden, welches den Klang an die Lautsprecherboxen weiterleitete.

War das WX7 an alle notwendigen Geräte angeschlossen, wurde ein Ton nur dann erzeugt, wenn erstens in das Mundstück geblasen und zweitens die Fingertasten betätigt wurden. Sobald man zum Beispiel alle Fingertasten losliess, brach der Ton ab, auch wenn man weiterhin in das Mundstück blies.

WX11 – das mittlere WX-Modell

Bereits ein Jahr nach dem WX7, nämlich 1988, veröffentlichte Yamaha das Modell WX11. Das WX11 richtete sich weiterhin in erster Linie an Saxophonisten. Blumig hiess es auf der ersten Seite der Bedienungsanleitung: "Mit dem WX11 findet jetzt auch der Saxophonist, vom Anfänger bis zum Meister, Zugang zur grenzenlosen MIDI-Welt [...], die bisher dem Keyboarder vorbehalten war."

Dieses Argument für einen Blaswandler spricht mich tatsächlich noch heute an. Bevor ich wusste, was ein Blaswandler ist, war ich immer etwas neidisch auf alle, die Keyboard spielen. Keyboarder können unzählige Klänge mit ihrem Instrument erzeugen, ich mit meiner Klarinette aber nur einen. Elektronische Blasinstrumente faszinieren mich, weil auch ich als Holzbläser andere Instrumente damit imitieren kann, seien es Blechblasinstrumente oder sogar synthetische Klänge. Diese Möglichkeit bot ein WX11 (und natürlich bereits das WX7). 

Mundstück und Griffsystem

Das Mundstück des WX11 und das Griffsystem entsprachen weitgehend dem Vorgängermodell. Das WX11 wurde also weiterhin wie ein akustisches Rohrblattinstrument gespielt. Lautstärke und Timbre konnten über den Lippendruck auf das fest installierte Kunststoff-Rohrblatt bzw. über die Blasstärke beeinflusst werden. 

Die Grifftechnik orientierte sich auch beim WX11 am klassischen Böhmsystem des Saxophons. Der Tonumfang wurde über Oktavtasten auf der Rückseite auf rund 7 Oktaven erweitert. Anonsten gab es die eine oder andere "ergonomische Veränderung" im Vergleich zum WX7. So waren die Spieltasten des WX11 im Vergleich zum WX7 leicht anders angeordnet. Optisch fällt zudem auf, dass das WX11 "geknickt", das WX7 hingegen gerade wie eine Klarinette ist.

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MIDI-Tongenerator + Zubehör

Wie beim WX7 musste auch beim WX11 ein externer MIDI-Tongenerator angeschlossen werden, womit der Klang elektronisch erzeugt wurde. Das WX11 war auf den Yamhaa-eigenen Blasinstrument-Tongenerator WT11 ausgelegt. Das Grundystem, um ein WX11 zu spielen, sah also etwa folgendermassen aus:

Das WX11 wurde mit einem Kabel an den WT11-Tongenerator angeschlossen, welcher ingesamt 96 Sounds in drei Soundbibliotheken (A, B und C) gespeichert hatte. Wie bei modernen Blaswandlern gab es akustischen Instrumenten nachempfundene Klänge (Holzbläser, Blechbläser, Streicher etc.) und diverse synthetische Sounds. Diese Sounds konnten mit dem WX11 als MIDI-Controller angesteuert werden. Die Befehle des WX11 wurden via den WT11-Tongenerator an ein Soundsystem weitergeleitet. Dies konnte ein Stereoverstärker oder ein Monoverstärker mit Lautsprecherboxen sein. Angeschlossen werden konnten aber auch Kopfhörer am WT11-Tongenerator, damit man die Nachbarn beim Üben mit dem WX11 nicht störte.

Wer keinen WT11-Tongenerator hatte, konnte das WX11 aber mit gewissen Einschränkungen auch an andere MIDI-Tongeneratoren anschliessen.

Fun Fact: Bühnenfreiheit

Schmunzeln musste ich, als ich in der Bedienungsanleitung zum WX11 gelesen habe, wie Yamaha sicherstellte, dass der WX11-Spieler auf der Bühne genügend Bewegungsfreiheit hat. Das WX11 wurde nämlich mit einem 5 Meter langen Anschlusskabel geliefert, damit man ausreichend Bewegungsspielraum erhält.

Heute sind die "Wireless-Funktionen" bereits in den Blaswandlern integriert (z. B. beim EWI5000) oder werden mit einem Wireless MIDI-Controller (z. B. beim Sylpyho) verkauft. Bei meinem Aerophone AE-10 habe ich zudem einen Funksender/-empfänger dazugekauft, womit auch das AE-10 problemlos drahtlos betrieben werden kann.

WX5 – Yamahas letzter MIDI-Controller

Im Jahr 1998 – zehn Jahre nach dem Vorgänger, dem WX11 – brachte Yamaha das letzte elektronische Blasinstrument auf den Markt: das WX5. Ausgeliefert wurde das WX5 mit zwei Mundstücken: einem Saxophonmundstück mit Rohrblatt und einem Blockflötenmundstück. Das WX5 hatte wie seine Vorgänger noch immer "echte", sprich mechanische Tasten. Nachdem das WX11 geknickt war, kehrte Yamaha mit dem WX5 aber wieder zu einer  geraden Form zurück. Beim WX5 war noch keine integrierte Soundbibliothek vorhanden. Das Instrument war weiterhin ein reiner Midi-Controller, der an ein Soundmodul angeschlossen werden musste.

Yamaha WX5

Tonerzeugung über separates Soundmodul

Da das WX5 ein MIDI-Controller ist, kann das Instrument nicht eigene Klänge erzeugen, sondern nur "Befehle" über eine MIDI-Schnittstelle übermitteln. Der Klangerzeugung erfolgte wie bei den früheren Blaswandlern der WX-Serie durch einen MIDI-Tongenerator, der mit dem WX5 verbunden werden musste. Yamaha bewarb das WX5 meistens zusammen mit dem Yamaha VL70-m. Der Virtual Acoustic Tone Generator VL70-m wurde von Yamaha speziell für seine Blaswandler der WX-Reihe entwickelt. Die Kombination WX5 + VL70-m löste somit die ältere Kombination WX11 +  WT11 ab. Der Virtual Acoustic Tone Generator VL70-m konnte übrigens auch mit anderen Blaswandlern wie den EWI-Modellen von Akai genutzt werden.

Mundstücke

Im Unterschied zu seinen Vorgängern, kam das WX5 mit zwei unterschiedlichen Mundstücken.

Saxophonmundstück

Wie beim WX7 und beim WX11 war ein "Saxophonmundstück" mit einem fest montierten Kunststoffrohrblatt dabei. Dies erlaubte wie bei den Vorgängermodellen ein Variieren der Tonhöhe über den Ansatz. Dieses Mundstück war vor allem für Saxophon- oder Klarinettenspieler gedacht.

Blockflötenmundstück

Neu konnte beim WX5 aber auch ein Mundstück aufgesetzt werden, das eher dem Mundstück einer Blockflöte entsprach. Weil bei diesem Mundstück das Rohrblatt fehlte, konnten damit keine Klangvariationen durch den Ansatz erzeugt werden. Bei diesem Mundstück konnte deshalb nur mit der "Loose-Lip-Konfiguration" gespielt werden (siehe Erläuterungen beim WX7 oben). 

Zusätzliche Griffmodi

Eine Erneuerung beim WX5 im Vergleich zu den Vorgängermodellen war die Erweiterung der konfiguierbaren Griffsysteme. Das WX5 bot vier Griffmodi. Drei davon waren aber weiterhin an das Griffsystem des Saxophons angelehnt und wurden entsprechend Saxophon a, b und c genannt. Saxophon a war die Basisvariante. Bei den Griffsysteme Saxophon b und c waren zusätzliche Triller- und Hilfsgriffe möglich.

Das vierte Griffsystem entsprach mehr oder weniger der Querflöte.  Dieses Griffsystem hatte gleichzeitig Auswirkungen auf das Verhalten des Lippensensors. Beim Griffmodus "Flöte" wurden die Einstellungen zum Ansatz ("Loose-Lip" und "Tight Lip") ignoriert.

Zusätzliche Oktave

Der ansteuerbare Tonumfang des WX5 war um eine Oktave erweitert. Während beim WX11 und beim WX7 mit den Oktavtasten drei Oktaven nach oben und zwei Oktaven nach unten gewählt werden konnten, hatte das WX5 eine zusätzliche Taste, womit in eine weitere Oktave nach unten gewechselt werden konnte. Mit dem WX5 konnte also ein Bereich von rund 8 Oktaven gespielt werden.

Produktion eingestellt

Seit ca. 2011/12 wird das WX5 von Yamaha nicht mehr produziert. Ein exaktes Datum konnte ich im Internet nicht mehr ausfindig machen. In Europa durfte das Instrument allerdings schon länger nicht mehr verkauft werden, weil das Batteriefach des WX5 nicht den europäischen Vorgaben entsprach. Auch das zum WX-5 passende Soundmodul VL70m wird seit ca. 2013 nicht mehr verkauft.

Wer also noch ein WX5 mit passendem Zubehör ergattern möchte, wird wohl leer ausgehen. Vielleicht wirst du auf ebay fündig, aber einfach zu finden sind die Blaswandler von Yamaha nicht, obwohl sie vor einigen Jahren sehr beliebt waren und Yamaha zu den Marktführern für Blaswandler gehörte.

Yamaha YDS-150 – Yamaha ist wieder da

Aktuell gibt es keinen modernen MIDI-Controller auf dem Markt, der von Yamaha produziert wird. Die Firma ist allerdings im September 2020 mit dem YDS-150 wieder auf dem Markt aufgetaucht. Bei diesem Instrument handelt es sich um ein elektronisches Saxofon, das auch zur Blaswandlerfamilie gezählt werden darf, aber keine MIDI-Funktion hat. Mehr zum YDS-150 findest du hier.

Wer einen MIDI-Controller sucht, muss noch immer auf die Konkurrenz ausweichen. Moderne Alternativen zu den WX-Blaswandlern von Yamaha sind heute zum Beispiel das Akai EWI5000, das Roland Aerophone AE-10 oder das Aoydyo Sylphyo.

Über mich

Hallo, ich bin Christoph. In meiner Freizeit spiele ich Klarinette und Saxophon. Vor einigen Jahren habe ich Blaswandler entdeckt. Inzwischen besitze ich unter anderem ein Roland Aerophone AE-30/Pro, ein Yamaha YDS-150, ein Akai EWI Solo und ein Travel Sax. Auf diesem Blog sammle ich Informationen zu Blaswandlern und teile meine Erfahrungen als Hobbymusikant mit diesen elektronischen Blasinstrumenten.

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